…davor dich wieder zu sehen. Oder davor, dich nie wieder zu sehen!
Juni 2016.
Es ist 5:00 Uhr Früh. Der Wecker klingelt. Ich springe aus dem Bett, eigentlich liege ich schon eine Weile wach im Bett. Geschlafen habe ich nicht wirklich, zu groß ist die Aufregung. Die Vorfreude. Die Anspannung. Eine Katzenwäsche muss reichen. Gregor und seine kleine orangenfarbene Schwester stehen fix fertig gepackt bereit. Ich ziehe mich an, kontrolliere, ob ich ja nichts vergessen habe. Reisepass mit dem Studentenvisum ist da. Handy, Geld…Hinter mir fällt die Hoteltüre zu. Ich steige in den Lift, an der Rezeption organisiere ich mir ein Taxi. Ein schneller Kaffee, dann sitze ich schon im Auto in Richtung Flughafen. Es ist das erste Mal, dass ich in einem Flughafenhotel übernachtet habe. Meine Mama hatte mich am Vorabend hier zum Münchner Flughafen gebracht. Der Abschied war wie immer und doch irgendwie anders. Ich konnte meine Mama zum ersten Mal weinen sehen. Es verschlug mir dir den Atem. Es war nicht das erste Mal, dass wir uns verabschieden mussten, dass ich für einen längeren Zeitraum weg sein würde. Aber ich glaube, die Tatsache, dass es dieses Mal nach Afrika ging, war für meine Mama schwer. Sehr schwer.
Am Flughafen angekommen erledige ich wie ein alter Flughafen-Profi den Check In. Irgendwie fühle ich mich wohl auf Flughäfen. In wenigen Stunden würde es los gehen. Endlich Richtung Südafrika. Mein Zufluchtsort für die nächsten Monate. Die letzten Wochen haben ihre Spuren an mir hinterlassen, mein Gesicht wirkt eingefallen, meine Hose trage ich mindestens eine Nummer kleiner. Ich erschrecke mich selbst, wenn ich in den Spiegel blicke. Meine Hoffnung: Stellenbosch. Wein, gutes Essen – aber vor allem eines: weck aus Innsbruck! Und dann ist es plötzlich wieder da. Dieses Gefühl von Sehnsucht. Die Sehnsucht nach ihm. Nach seiner Nähe. Ich hatte mir geschworen es nicht zu tun – aber doch: ich such im Handy den Kontakt. J. Keine Sekunde zögere ich und tippe auf wählen. Es klingelt. Am anderen Ende der Leitung: diese beruhigende Stimme. Seine Stimme. Allerdings etwas überrascht, dass ich mich melde. „Was mach ich hier eigentlich?“, frage ich.
Stille. Dann ein: „Pass auf dich auf! Ich liebe dich!“ Dann wieder Stille. Das Telefonat wurde beendet.
Mit diesen Worte hatte ich nicht gerechnet. Bum! Das hat gesessen.
Es werden Monate vergehen bis wir uns wieder sehen. Monate, in denen wir nichts voneinander hören. Sein Abschiedsgeschenk, ein Buch und ein Brief, werde ich entweder verbrennen oder verschenken. Südafrika wird mich verändern. Wird mein Leben verändern. Wie sehr, das werde ich aber erst ein paar Jahre später feststellen.
Wir werden uns wieder sehen und nur verlegen die Blicke tauschen, nur wenige Worte miteinander wechseln. Wir werden uns wieder sehen, am Ende unseres Studiums. Wir werden am Tag der Abschlussprüfung uns in die Arme fallen. Geschafft! Endlich! Und am Tag der Sponsion werden wir uns verabschieden. Und ich werde sagen: „Ich weiß nicht wovor ich mehr Angst habe. Dich wieder zu sehen. Oder nie wieder zu sehen!„
Oktober 2023.
Mittlerweile bin ich seit einem Jahr glücklich verheiratet. Meine zweijährige Tochter hält mich auf Trap. Ich schreibe diese Zeilen in Erinnerung an einen Tag am Münchner Flughafen im Juni 2016. Und an einen Tag im Oktober 2017. Zwei Tage, die ich in meinem Herzen tief eingeschlossen habe. Gefühle, die sich manchmal anfühlen, als hätte ich sie erst gestern gefühlt. Denn: Es gibt Menschen, die belgeiten dich. Es gibt Menschen, die lieben dich. Es gibt Menschen, die lehren dich. Und es gibt Menschen, die verletzen dich.
Und jeder hat seinen Grund, seine Bestimmung, seine Aufgabe. Es liegt an dir, herauszufinden welche Rolle ein Mensch in deinem Leben spielt.